Wirecard: Indizien sprechen für eine klassische Aushöhlung des Payment-Anbieters

E-Commerce: Digitale Bezahllösungen (Digital Payment)

Dienstag, 11. August 2020 um 09:08

ASCHHEIM/MÜNCHEN (IT-Times) - Nach der Feststellung, dass mindestens 1,9 Mrd. Euro in den Kassen des digitalen Zahlungsdienstleisters fehlen, musste die Wirecard AG Insolvenz anmelden.

Wirecard Vorstand Mai 2020

Noch immer ist unklar, ob diese Mittel gar nicht existierten und nur über Bilanzmanipulation entstanden sind oder ob diese sukzessive und systematisch abgeschöpft wurden. Indizien sprechen mittlerweile für die zweite Version bei Wirecard.

Man spricht in diesem Fall von dem „Aushöhlen einer Gesellschaft“, was von Kriminellen gerne genutzt wird, um sich zum Beispiel "unliebsamer Gesellschafter" zu entledigen. In diesem Fall wären es die Wirecard-Aktionäre.

Die Einsatzmittel und Wege hierfür sind vielschichtig. Bei der Wirecard AG kann man zum Beispiel im Laufe der Jahre zahlreiche Kapitalerhöhungen, völlig überteuerte Akquisitionen und Kreditvergaben an Partnerunternehmen ohne Sicherheiten beobachten.   

Unklar ist in allen Fällen, wohin die frischen Mittel geflossen sind. Oftmals steckten als Empfänger ehemalige Mitarbeiter von Wirecard dahinter, die offensichtlich als Strohmänner eingesetzt wurden, um die Transaktion zu verschleiern.

Im Jahr 2019 wechselte zudem das Management der Wirecard AG die Banken und auch der Treuhänder auf den Philippinen aus, auf deren Konten die nun fehlenden 1,9 Mrd. Euro offiziell „geparkt“ wurden.

Die Bankdokumente, die die Existenz dieser Beträge belegen sollten, seien gefälscht und das Geld nie auf den Philippinen gewesen, hieß es von der lokalen Zentralbank. Das Geld ist also im Klartext weg.

Mit dem Wechsel hat man zugleich die Zahl der Verantwortlichen noch einmal verdoppelt, was die Ermittlungen erschweren dürfte. Es gilt das Sprichwort: Hast Du zwei Verantwortliche, gibt es keinen, den man zur Rechenschaft ziehen kann.

Summa summarum könnte es beim heutigen Kenntnisstand um den fehlenden Betrag in Höhe von 1,9 Mrd. Euro gehen, der über verschiedene ausgeklügelte Transaktionen in dunkle Kanäle von der Wirecard AG abgeschöpft sein könnte.  

Allein rund 870 Mio. Euro sollen noch kurz vor der Insolvenz der Wirecard AG am 25. Juni 2020 abgeflossen sein, Empfänger waren Partnerunternehmen von Wirecard in Dubai, Singapur und den Philippinen.

Die Financial Times nannte in diesem Zusammenhang Unternehmen wie Ocap und Ruprecht Services, beide mit Sitz in Singapur, sowie Al-Alam in Dubai und Pay Easy in Manila (Philippinen). Al-Alam hat bereits Mitte Mai 2020 seinen Betrieb eingestellt.

Es könnte also sein, dass die Luftbuchungen im Zusammenhang mit den Geldabflüssen stehen, um den gesamten Vorgang zu vertuschen und Prüfer mit einer scheinbar ausgeglichenen Bilanz in die Irre zu führen.

Beim Amtsgericht München sind nicht nur für die Wirecard AG, sondern auch für mehrere Tochtergesellschaften Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eingegangen.

Auch die Tochtergesellschaft im österreichischen Graz ist insolvent. Scheinbar ist Geld von der Wirecard AG systematisch über die zahlreichen Tochtergesellschaften des Unternehmens abgeflossen.

Eine der fünf Tochtergesellschaften mit Sitz in Aschheim, die beim zuständigen Amtsgericht einen Insolvenzantrag stellen mussten, hatte im Jahr 2018 noch eine Kapitalerhöhung mit einem Volumen von 260 Mio. Euro (!) durchgeführt.

Es geht um die Wirecard Sales International Holding GmbH, die laut Unternehmensangaben als Management-Holding von Wirecard-Tochterunternehmen operiert und kein operatives Geschäft betreibt.

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