Nokia: High Noon im Smartphone-Markt - Finnen kämpfen ums Überleben

Freitag, 15. Juni 2012 um 14:10
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(IT-Times) - Der finnische Mobiltelefonhersteller Nokia schockte am Vortag Mitarbeiter und Aktionäre. Mit einem massiven Restrukturierungsprogramm will das Unternehmen die Wende schaffen, nachdem das Unternehmen die zweite Gewinnwarnung in neun Wochen herausgeben musste. Zunächst sollen bis zu 10.000 Arbeitsplätze abgebaut werden, um die operativen Kosten zu senken.

Am Markt wird die Strategie des Gesundschrumpfens mit drastischen Kursverlusten aufgenommen: Nokia-Papiere (NYSE: NOK, WKN: 870737) brachen am Vortag an der New Yorker Börse um rund 15 Prozent ein, erstmals seit 1996 notiert das Papier wieder unter der Marke von zwei Euro. Trotz der bekannt gegebenen Einsparungsmaßnahmen inklusiver Werksschließungen in Deutschland, Kanada und Finnland bleibt das Kernproblem bestehen. Nokia-Telefone verkaufen sich einfach nicht mehr gut und sind gegen das iPhone 4S und Samsung Galaxy S III nicht wettbewerbsfähig.

Lumia-Modelle verkaufen sich schleppend - Apple und Samsung ziehen davon


Während Samsung für sein neues Flagschiff-Smartphone Galaxy S III bereits millionenfach Vorbestellungen verbucht haben soll, hat Nokia von seinen Windows Phone basierten Lumia-Modellen gerade einmal drei Millionen Einheiten absetzen können. Im Vergleich dazu konnte Apple 72 Millionen iPhones seit Oktober 2011 verkaufen. Analysten wie Canaccord Genuity und UBS erwarten daher ein hartes Übergangsjahr für Nokia. Nicht nur der schleppende Absatz von Lumia-Modellen, sondern auch der Verkaufsschwund bei Symbian-basierten Handy-Modellen macht Nokia zu schaffen. Hinzu kommt der Preisdruck in der Branche.

Analysten glauben daher, dass Nokia inzwischen ums nackte Überleben kämpft. Analysten aus dem Hause JP Morgan merken an, dass Nokia in den vergangenen fünf Quartalen 2,1 Mrd. Euro verbrannt hat. Durch die anhaltenden operativen Verluste und Restrukturierungskosten könnten die Barreserven von aktuell 4,9 Mrd. Euro bis Ende 2013 auf 1,63 Mrd. Euro zusammenschmelzen, rechnen die US-Investmentbanker vor. Sollte Nokia die Probleme bis Jahresende nicht in den Griff bekommen, dürfte es Eng für Nokia CEO Stephen Elop werden.

Probleme heizen Übernahmespekulationen an - Microsoft als weißer Ritter?


Der Nokia-Manager hofft vor allem auf die Markteinführung neuer Windows Phone-basierter Modelle. In Kooperation mit dem Partner Microsoft will man vor allem im low-end Markt punkten. Bislang ist die Strategie nicht aufgegangen, der Marktanteil von Windows Phone summierte sich im ersten Quartal 2012 auf unter zwei Prozent.

Eine Pleite von Nokia kann sich der Partner Microsoft aber nicht leisten, glauben Analysten. Microsoft ist auf die Finnen angewiesen, um sein Windows Phone Betriebssystem auf Smartphones zu etablieren. Sollte der finnische Hersteller wirklich in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, rechnen Analysten mit einer Übernahme durch Microsoft.

Kurzportrait

Die im Jahre 1865 gegründete und im finnischen Espoo ansässige Nokia stellte nach seiner Gründung ursprünglich Papier her. In den späteren Jahren machte sich Nokia als Hersteller von Gummistiefeln einen Namen. Erst im Jahre 1960 wandte sich Nokia den modernen Kommunikationstechniken zu. In den 80er Jahren stellte das Unternehmen dann elektronische Komponenten und ganze Computer her. Im Jahre 1987 folgte schließlich mit der Entwicklung von Mobilfunktelefonen der Durchbruch und der Beginn einer neuen Ära.

Nokia entwickelte damals das erste Mobilfunktelefon, mit dem Ziel auf Basis des GSM-Netzes ein globales mobiles Kommunikationsnetz in Europa zu schaffen. Heute ist Nokia der weltweit führende Handy-Hersteller. Das Unternehmen ist heute in drei wesentliche Kerngeschäftsbereiche unterteilt: Devices and Services, Navteq und der Netzwerksparte (Nokia Siemens Networks).

Nokia erregte in den vergangenen Jahren auch Aufmerksamkeit durch seine Expansion im Netzwerkbereich. So erwarb der finnische Technologiekonzern in den vergangenen Jahren Beteiligungen an amerikanischen Netzwerkfirmen wie Ipsilon Networks, Aircom International, Rooftop Communications, Ramp Networks und F5 Networks. Später übernahm Nokia den Softwarespezialisten Eizel Technologies. Im Jahr 2004 kaufte Nokia Lizenzen und Technologien der Freescale-Tochter Metrowerks. Im Februar übernahm Nokia schließlich den Mobilfunksoftwareanbieter Intellisync Corporation. Im Jahr 2007 schluckte Nokia den mobilen Marketingspezialisten Enpocket. Anschließend kaufte Nokia den GPS- und Kartenspezialisten Navteq im Rahmen einer Milliardentransaktion. Ende 2007 schloss man die Übernahme der Internettauschbörse Avvenu ab. Mitte 2008 kaufte Nokia auch die restlichen Anteile an dem britischen Mobile-Softwarehersteller Symbian. Gleichzeitig übernahm Nokia den Social-Networking-Anbieter Plazes. Daneben wurde auch die Übernahme des Softwarespezialisten Trolltech erfolgreich abgeschlossen. Im Herbst 2009 schluckte Nokia den Spezialisten Cellity. Mitte 2010 übernahm NSN die Netzwerkausrüstungssparte von Motorola. Mitte 2010 wurde zudem die Modemsparte (Wireless Modem) für 200 Mio. Dollar veräußert. Die Netzwerk-Tochter NSN übernahm im Herbst 2010 die türkische Iris Telecom. Mitte 2011 trennte sich Nokia von seiner Operator Branded Messaging-Sparte (OBM). Gemeinsam mit der Siemens AG betreibt Nokia das 50:50 Joint Venture Nokia Siemens Networks (NSN). Gleichzeitig verkaufte NSN seine Breitband-Festnetzsparte. Mitte 2012 trennte sich Nokia von seiner Luxus-Marke Vertu. Gleichzeitig wurde der Imaging-Spezialisten Scalado übernommen.

Gemeinsam mit Texas Instruments und STMicroelectronics will Nokia in Konkurrenz zu Qualcomm treten und den neuentwickelten CDMA-Standard CDMA 2000 1X vermarkten. Mit seiner eigenen Internet-Plattform Ovi will Nokia im weltweiten Datennetz stärker Fuß fassen. Zudem besteht eine Kooperation mit Intel, um mit MeeGo eine neue Linux-basierte Softwareplattform für Mobiltelefone, Tablet PCs und Netbooks zu entwickeln. Anfang 2011 schloss Nokia eine Kooperation mit Microsoft, womit Windows Phone zur Hauptplattform im Smartphone-Bereich aufsteigen soll.

Zahlen

Beim Umsatz des finnischen Herstellers Nokia sank im ersten Quartal 2012 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 29 Prozent auf 7,4 Mrd. Euro. Das Betriebsergebnis rutschte von plus 439 Mio. Euro im ersten Quartal 2011 in den negativen Bereich und erreichte einen Wert von minus 1,3 Mrd. Euro. Damit wurde ein Ergebnis von minus 0,25 Euro pro Aktie realisiert. Im Vorjahresquartal konnte pro Aktie noch ein positives Ergebnis von 0,09 Euro erwirtschaftet werden.

Der Cash-Flow, der sich schon im ersten Quartal 2011 mit minus 173 Mio. Euro im negativen Bereich befand, verschlechterte sich weiter und lag im ersten Quartal 2011 bei minus 590 Mio. Euro. Beeinflusst wurde das negative Ergebnis nicht nur durch die Bereiche Devices and Service sowie Location and Commerce, sondern auch durch das mit minus einer Mrd. Euro negative Ergebnis des Netzbau Joint Ventures Nokia Siemens Network (Vorjahreswert NSN: minus 142 Mio. Euro). Die Betriebsmarge in diesem Bereich lag bei minus 34,1 Prozent. Im Bereich Devices and Service lag dieser Wert bei minus 5,2 Prozent, während der Konzern im Geschäftsfeld Location and Commerce eine Betriebsmarge von minus 33,9 Prozent hinnehmen muss.

Markt und Wettbewerb

Meldung gespeichert unter: Nokia, Hintergrundberichte, Telekommunikation, Hardware

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