Nokia mutiert zum Internetkonzern

Montag, 8. Oktober 2007 um 12:45
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(IT-Times) Vom Gummistiefelhersteller zum Mobilfunkgiganten und nunmehr zum Internetkonzern. Beim finnischen Mobilfunkmarktführer Nokia (NYSE: NOK, WKN: 870737) geht der Wandel weiter. Die Finnen sind dabei den beiden Spezialisten Google und Garmin zuvor gekommen und haben überraschend den US-Karten- und GPS-Spezialisten Navteq übernommen. 8,1 Mrd. Dollar lässt sich Nokia dieses Abenteurer kosten, welches das Unternehmen in ein neues Zeitalter katapultieren soll.

Die Konkurrenten heißen ab sofort nicht mehr Motorola oder Samsung, sondern vielmehr Google und Apple. Zu Beginn nächsten Jahres will Nokia sein Devices-Geschäft in drei weitere Geschäftsbereiche unterteilen, um verstärkt mit Software und Location-basierte Services und Internetangeboten (Ovi) um Kunden zu werben.

Navteq-Deal teuer - aber strategisch richtig


Ob sich der Milliarden-Deal und die neue Ausrichtung für Nokia in der Zukunft auszahlen wird, gilt unter Marktbeobachtern als umstritten. Als „teuer“ bewertet Nomura Securities-Analyst Richard Windsor den Navteq-Zukauf. Der Analyst verweist darauf, dass Google & Co solche Navigationsdienste auf ihren Webseiten bereits heute schon kostenlos anbieten. Daher sei es fraglich, ob Kunden für Nokia-Navigationsdienste extra bezahlen werden. Vielmehr sei das Nokia-Geschäftsmodell in diesem Bereich schon heute lückenhaft, meint der Analyst.

Andere Marktbeobachter sehen in dem jüngsten Deal insbesondere Carrier vor dem Kopf gestoßen. Durch das Nokia-Angebot könnten diese ihre eigenen Content-Dienste nur mehr schwer vermarkten, heißt es. Entsprechende Befürchtungen äußerte man auch bei Jupiter Research. Die Marktforscher trauen jedoch Nokia aufgrund der Marktpräsenz und der verfügbaren Kapitalressourcen einen erfolgreichen Alleingang zu. In jeden Fall dürfte Nokia durch den Navteq-Zukauf den Druck auf den Mobilfunk-Rivalen Motorola weiter verstärkt haben, heißt es aus der Branche.

Auch Nokia-Finanzchef Richard Simonson gestand ein, dass der Deal zunächst teuer anmutet. Setzt man den Kaufpreis jedoch in Relation zu den künftigen Umsatz und Gewinnbeiträgen, die der Navteq-Zukauf beisteuern wird, werden die Vorteile des Deals klarer.

Nokia kündigt GPS-Offensive an


Nokia kann durch den Zukauf nämlich nicht nur sein Produktportfolio an GPS-fähigen Handys erweitern, sondern die digitalen Karten auch in seine neue Internet-Plattform Ovi mit einbinden. Ovi soll sozusagen als Tor zur digitalen Welt von Nokia fungieren, wobei das Angebot neben einem Online-Musikdienst auch Online-Spiele und digitale Karten umfassen wird. Der Dienst soll noch in diesem Jahr an den Start gehen.

Gleichzeitig steht jedoch der Ausbau GPS-fähiger Handys im Mittelpunkt. Nokia-Manager Anssi Vanjoki kündigte bereits an, dass Nokia bis Ende nächsten Jahres mit mehr als zehn GPS-fähigen Mobiltelefonen auf den Markt vertreten sein wird - zuletzt bot man gerade Mal drei Modelle mit integrierter GPS-Funktion an.

Kurzportrait

Die im Jahre 1865 gegründete und im finnischen Espoo ansässige Nokia Oyj stellte nach seiner Gründung ursprünglich Papier her. In den späteren Jahren machte sich Nokia als Hersteller von Gummistiefeln einen Namen. Erst im Jahre 1960 wandte sich Nokia den modernen Kommunikationstechniken zu. In den 80er Jahren stellte das Unternehmen dann elektronische Komponenten und ganze Computer her. Im Jahre 1987 folgte schließlich mit der Entwicklung von Mobilfunktelefonen der Durchbruch und der Beginn einer neuen Ära.

Nokia entwickelte damals das erste Mobilfunktelefon, mit dem Ziel auf Basis des GSM-Netzes ein globales mobiles Kommunikationsnetz in Europa zu schaffen. Heute ist Nokia der weltweit führende Handy-Hersteller mit einem geschätzten Marktanteil von rund 38 Prozent. Gleichzeitig ist das Unternehmen in zwei wesentliche Kerngeschäftsbereiche unterteilt: der Mobilfunksparte und der Netzwerksparte..

Die in Kalifornien ansässige Tochter Nokia Venture Partners investiert unter anderem in Startup-Unternehmen, welche sich im Wesentlichen mit Internettechnologien und Kommunikationstechniken beschäftigen. Im Frühjahr 2005 veräußerte Nokia allerdings sein mobiles Radiogeschäft an EADS für rund 116 Mio. US-Dollar.

Nokia erregte in den vergangenen Jahren auch Aufmerksamkeit durch seine Expansion im Netzwerkbereich. So erwarb der finnische Technologiekonzern in den vergangenen Jahren Beteiligungen an amerikanischen Netzwerkfirmen wie Ipsilon Networks, Aircom International, Rooftop Communications, Ramp Networks und F5 Networks. Später übernahm Nokia den Softwarespezialisten Eizel Technologies. Im Jahr 2004 kaufte Nokia Lizenzen und Technologien der Freescale-Tochter Metrowerks. Im Februar übernahm Nokia schließlich den Mobilfunksoftwareanbieter Intellisync Corporation. Im Jahr 2007 schluckte Nokia den mobilen Marketingspezialisten Enpocket. Anschließend kaufte Nokia den GSP- und Kartenspezialisten Navteq.

Gemeinsam mit der Siemens AG betreibt Nokia das 50:50 Joint Venture Nokia Siemens Networks. Gemeinsam mit Texas Instruments und STMicroelectronics will Nokia in Konkurrenz zu Qualcomm treten und den neuentwickelten CDMA-Standard CDMA 2000 1X vermarkten. Nokia setzt in seinen neu entwickelten CDMA-Chips als einziger Mobilfunkhersteller nicht auf Chips aus dem Hause Qualcomm, sondern auf Eigenentwicklungen.

Zahlen

Für das vergangene zweite Quartal 2007 meldet Nokia einen Umsatzzuwachs um 28 Prozent auf 12,5 Mrd. Euro (17,25 Mrd. US-Dollar). Es wurde ein operativer Gewinn von 2,3 Mrd. Euro ausgewiesen nach 1,5 Mrd. Euro im Vorjahr, ein Plus um 57 Prozent. Die operative Marge erhöhte sich von 15,3 Prozent auf 18,7 Prozent. Dabei erzielte Nokia einen Nettogewinn in Höhe von 2,8 Mrd. Euro (2006: 1,1 Mrd. Euro). Der (verwässerte) Gewinn je Aktie verbesserte sich somit von 28 auf 72 Cent. Das Unternehmen wies einen operativen Cashflow von 1,5 Mrd. Euro aus (2006: 0,9 Mrd. Euro).

Die Einheit Mobile Devices konnte im zweiten Quartal insgesamt 100,8 Millionen Geräte absetzen. Davon entfielen neun Millionen auf Telefone der N-Serie, zwei Millionen auf die E-Serie. In 2006 wurden im gleichen Zeitraum insgesamt rund 78 Millionen Telefone verkauft. Am nachfragestärksten war in 2007 der europäische Markt mit 27,1 Millionen Einheiten, gefolgt von Asien mit einem Absatz von 25,6 Millionen Stück.

Meldung gespeichert unter: Nokia, Hintergrundberichte, Telekommunikation

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