Nokia mit dem Rücken zur Wand - Barreserven bald aufgezerrt?

Montag, 23. Juli 2012 um 13:19
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(IT-Times) - Kann der Mobilfunkgigant Nokia noch die Wende schaffen, oder ist der finnische Mobilfunk-Pionier dem Untergang geweiht? Diese Frage stellen sich derzeit die meisten Investoren und Anleger, die sich mit der Nokia-Aktie beschäftigen.

Am vergangenen Donnerstag legten Nokia-Papiere (NYSE: NOK, WKN: 870737) kurzzeitig um 12 Prozent zu, nachdem das Unternehmen nicht ganz so schlechte Zahlen für das vergangene zweite Quartal 2012 präsentieren konnte. Zwar gaben Umsatz- und Handy-Absatzahlen weiter nach, dennoch gibt es auch Lichtblicke in der Bilanz. Zum einen konnte Nokia 4,0 Millionen Windows-basierte Lumia-Telefone verkaufen, Analysten hatten hier nur mit einem Absatz von 3,8 Millionen Einheiten gerechnet. Zum anderen konnte Nokia den operativen Verlust auf 826 Mio. Euro senken, nach 1,3 Mrd. Euro im Vorquartal.

Rating-Agentur stuft Nokia-Papiere herab


Doch die Freude über die wenigen Lichtblicke in der Nokia-Bilanz währte nur kurz. Die Rating-Agentur Fitch Ratings stufte Nokia-Papiere am Freitag von BB+ auf BB- und damit auf nahezu Junk-Status herab. Der Kredit-Ausblick bleibt weiterhin negativ. Die Fitch-Experten begründen ihre Entscheidung mit dem anhaltenden Umsatzschwund bei Nokia und mit den niedrigen Gewinnmargen - daran dürfte sich auch so schnell nichts ändern, glauben die Fitch-Experten.

Nokia verliert auch in China an Boden


Tatsächlich brach der Absatz im wichtigen Smartphone-Geschäft bei Nokia um 39 Prozent auf 10,2 Millionen Einheiten ein, nachdem Nokia weiter Marktanteile in Europa und China verlor. Vor allem der Rückschlag in China ist für Nokia besonders bitter, dominierten die Finnen dort lange mit ihren Billig-Telefonen den Markt. Doch inzwischen hat sich auch im Reich der Mitte das Blatt gewendet.

Die Nokia-Erlöse brachen in China im zweiten Quartal 2012 auf 542 Mio. Euro ein, nachdem die Finnen im Vorjahr noch 913 Mio. Euro umsetzten. Die Zahl der verkauften Geräte sank um 30 Prozent auf 7,9 Millionen Einheiten. Dabei hatte sich Nokia mit dem Lumia vor alle in China große Hoffnungen gemacht und das Gerät entsprechende den landesspezifischen Anforderungen angepasst.

Analyst: Barreserven werden auf Minimal-Niveau sinken


Den Grund für die Misere sehen Marktbeobachter in der geringen Akzeptanz von Lumia-basierten Modellen bei Konsumenten. Zwar konnte Nokia den Absatz im jüngsten Quartal kräftig steigern, dennoch verlieren die Finnen weiter Marktanteile an Apple (iPhone) und Samsung (Galaxy).

Analysten wie Bernstein Research Experte Pierre Ferragu rechnen daher damit, dass Nokia sowohl in diesem, wie auch im nächsten Jahr weiter Geld verbrennen wird. Dabei erwartet der Analyst einen Nettoverlust 1,7 Mrd. Euro allein in diesem Jahr. Die Barreserven dürften auf 3,1 Mrd. Euro Ende 2012 und bis Ende 2013 auf 2,4 Mrd. Euro zusammenschmelzen, glaubt der Analyst, der Nokia weiter als "Underperformer" sieht.

Kurzportrait

Die im Jahre 1865 gegründete und im finnischen Espoo ansässige Nokia stellte nach seiner Gründung ursprünglich Papier her. In den späteren Jahren machte sich Nokia als Hersteller von Gummistiefeln einen Namen. Erst im Jahre 1960 wandte sich Nokia den modernen Kommunikationstechniken zu. In den 80er Jahren stellte das Unternehmen dann elektronische Komponenten und ganze Computer her. Im Jahre 1987 folgte schließlich mit der Entwicklung von Mobilfunktelefonen der Durchbruch und der Beginn einer neuen Ära. Heute besitzt das Unternehmen mehr als 30.000 Patente im Mobilfunkbereich.

Nokia entwickelte damals das erste Mobilfunktelefon, mit dem Ziel auf Basis des GSM-Netzes ein globales mobiles Kommunikationsnetz in Europa zu schaffen. Heute ist Nokia der weltweit führende Handy-Hersteller. Das Unternehmen ist heute in drei wesentliche Kerngeschäftsbereiche unterteilt: Devices and Services, Navteq und der Netzwerksparte (Nokia Siemens Networks).

Nokia erregte in den vergangenen Jahren auch Aufmerksamkeit durch seine Expansion im Netzwerkbereich. Im Jahr 2004 kaufte Nokia Lizenzen und Technologien der Freescale-Tochter Metrowerks. Im Februar übernahm Nokia schließlich den Mobilfunksoftwareanbieter Intellisync Corporation. Im Jahr 2007 schluckte Nokia den mobilen Marketingspezialisten Enpocket. Anschließend kaufte Nokia den GPS- und Kartenspezialisten Navteq im Rahmen einer Milliardentransaktion. Ende 2007 schloss man die Übernahme der Internettauschbörse Avvenu ab. Mitte 2008 kaufte Nokia auch die restlichen Anteile an dem britischen Mobile-Softwarehersteller Symbian. Gleichzeitig übernahm Nokia den Social-Networking-Anbieter Plazes. Daneben wurde auch die Übernahme des Softwarespezialisten Trolltech erfolgreich abgeschlossen. Im Herbst 2009 schluckte Nokia den Spezialisten Cellity. Mitte 2010 übernahm NSN die Netzwerkausrüstungssparte von Motorola. Mitte 2010 wurde zudem die Modemsparte (Wireless Modem) für 200 Mio. Dollar veräußert. Die Netzwerk-Tochter NSN übernahm im Herbst 2010 die türkische Iris Telecom. Mitte 2011 trennte sich Nokia von seiner Operator Branded Messaging-Sparte (OBM). Gemeinsam mit der Siemens AG betreibt Nokia das 50:50 Joint Venture Nokia Siemens Networks (NSN). Gleichzeitig verkaufte NSN seine Breitband-Festnetzsparte. Mitte 2012 trennte sich Nokia von seiner Luxus-Marke Vertu. Gleichzeitig wurde der Imaging-Spezialisten Scalado übernommen.

Gemeinsam mit Texas Instruments und STMicroelectronics will Nokia in Konkurrenz zu Qualcomm treten und den neuentwickelten CDMA-Standard CDMA 2000 1X vermarkten. Mit seiner eigenen Internet-Plattform Ovi will Nokia im weltweiten Datennetz stärker Fuß fassen. Zudem besteht eine Kooperation mit Intel, um mit MeeGo eine neue Linux-basierte Softwareplattform für Mobiltelefone, Tablet PCs und Netbooks zu entwickeln. Anfang 2011 schloss Nokia eine Kooperation mit Microsoft, womit Windows Phone zur Hauptplattform im Smartphone-Bereich aufsteigen soll.

Zahlen

Für das vergangene zweite Quartal 2012 meldete Nokia einen Umsatzrückgang von 9,28 Mrd. Euro in Q2 2011 auf 7,54 Mrd. Euro in Q2 2012. Besonders starke Einbußen verbuchte ausgerechnet das Segment "Smartphones", dessen Umsatzerlöse um 34 Prozent einbrachen.

Das Lumia 900 konnte damit die Hoffnungen nicht erfüllen, die das Unternehmen in das mit jahrelanger Verspätung erschienene Smartphone gesetzt hatte. Zwar stiegen die Absatzzahlen der Lumia-Reihe, konnte aber die Rückgänge bei Symbian-Geräten nicht ausgleichen. Insgesamt brachte Nokia im jüngsten Quartal vier Millionen Lumia Smartphones zur Auslieferung. Insgesamt wurden 10,2 Millionen Smartphones abgesetzt.

Meldung gespeichert unter: Nokia, Hintergrundberichte, Telekommunikation, Hardware

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