Balda erhält Luft zum Atmen

Mittwoch, 24. Dezember 2008 um 10:55
Balda

(IT-Times) Der Touchscreen-Hersteller Balda AG (WKN: 521510) hat ein bewegtes Jahr hinter sich. Am Anfang stand der missratene Verkauf des deutschen Handyschalengeschäfts an den Finanzinvestor Aurelius. Der brachte Balda bis an den Rand der Insolvenz, da sich das Unternehmen dazu verpflichtet hatte, die Verluste der verkauften Tochter zu übernehmen und dabei vergessen hatte, Grenzen zu setzen. Das Geschäft musste unter hohen Verlusten rückgängig gemacht werden.

In der Zwischenzeit standen dann Umstrukturierungen an, wobei die letztlich realisierten Umstrukturierungen den nun tatsächlich umgesetzten zum Teil widersprechen. So will sich Balda wieder stärker auf das Infocom-Kerngeschäft fokussieren, ohne aber das Segment Touchscreen vollständig aufzugeben. Dabei wollte sich Balda noch zuvor auf das Touch-Screen-Geschäft fokussieren. Das änderte sich jedoch, als zu Beginn des letzten Quartals des laufenden Geschäftsjahres der Verkauf von Anteilen im Bereich Touchscreen bekannt gegeben wurde. Ziel dieser Maßnahme: Die kurzfristige Finanzierung sollte gesichert werden. Hierzu wurden zwölf Prozent der Anteile, die das Unternehmen an TPK hält, verkauft. Nach diesem Verkauf hält Balda noch 38 Prozent der Anteile von TPK. Die Kapitalerhöhung bei TPK, an der sich Balda indes nicht beteiligte, führt zu einer Verwässerung der TPK-Anteile von Balda von 38 Prozent auf 33,5 Prozent.

Wechsel auf dem Chefsessel

In der letzten Woche wurde dann bekannt, dass Joachim Gut sein Amt als Vorstandsvorsitzender der Balda AG mit Wirkung zum Jahresende 2008 niederlegen wird. Finanzvorstand Dirk Eichelberger wird das Unternehmen in Zukunft als Alleinvorstand und CEO leiten. Joachim Gut war sei 2003 für das Unternehmen tätig. Er hat insbesondere an der Internationalisierung des Unternehmens gearbeitet und dabei die chinesischen Fertigungsstätten ausgebaut. Laut Unternehmensangaben erfolgt das Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden vor dem Hintergrund der Neuausrichtung des Unternehmens. Nach der Reduktion der TPK-Beteiligung und der Konzentration auf Kunststoff- und Elektronikprodukte hat sich der Aufsichtsrat für eine Verkleinerung des Vorstands ausgesprochen. Die Trennung hätte aber einvernehmlich stattgefunden. Letztlich wird Gut aber auch angelastet beim Verkauf des Handyschalengeschäftes zu Beginn des Jahres keine allzu gute Figur gemacht zu haben, so dass eine Trennung nur eine Frage der Zeit zu sein schien. Das zeichnete sich spätestens seit der Balda-Hauptversammlung im Juni ab, als Gut von den Aktionären nicht entlastet worden war.

Ob nun das Jahr 2009 die Kehrtwende für Balda bringen wird, wird sich zeigen. Seit knapp zwei Wochen können die Ostwestfalen jedenfalls wieder ein wenig aufatmen: Das Unternehmen erhält einen Kredit über 76,5 Mio. Euro. Hierzu hat man sich mit den beteiligten Banken auf eine Neuordnung der Finanzierungsstruktur der Balda AG geeinigt. Der Kredit wurde bis Ende 2009 gewährt. Damit muss Balda nicht weiter die drohende Insolvenz durch die Abspaltung von Geschäftsbereichen - wie beim Verkauf der TPK-Anteile - abwenden. Die Kreditspritze verschafft Balda nun eine kurze Atempause. Ob die Neuaufstellung des Unternehmens gelingt, wird aber das Jahr 2009 zeigen. Aufmerksame Beobachter der Geschäftsentwicklung dürften auch Anteilseigner wie Audley Capital sein. In jedem Fall dürfte sich das kommende Jahr als Schicksalsjahr für Balda entwickeln. Der gewährte Kredit gibt Spielraum, die Umstrukturierung voranzubringen, ohne sich jeden Tag aufs Neue die Liquidität sichern zu müssen. Das ist eine - vielleicht sogar die letzte - Chance für Balda.

Kurzportrait

1908 wurde Balda in Dresden gegründet und stellte hochwertige Kameras her. 1985 wird die Produktion nach China verlagert. 1994 erfolgt eine strategische Neuausrichtung, die auch heute noch Bestand hat. Das Unternehmen setzt sich seitdem aus den fünf Sparten Infocom, Health Care, Cosmetics, Electronic Devices und Household zusammen. 1999 kam es zur Erstnotierung der neu gegründeten Balda AG am Neuen Markt, heute ist die Gesellschaft im Nebenwerteindex S-Dax gelistet.

Filetstück des Konzerns ist die Infocom-Sparte. Hier werden sämtliche Kunststoff- Komponenten eines Mobiltelefons hergestellt. Für die drei Produktsegmente Basic-, Business- und Luxus-Mobiltelefone hat Balda im Jahr 2001 Komponenten für insgesamt zwanzig Mobiltelefon-Modelle entwickelt. Die Gesellschaft beschränkt sich dabei nicht nur auf die Produktion. Im Auftrag von Kunden wie Alcatel, Motorola, Nokia, Sagem, Sony Ericsson sowie einiger lokaler chinesischer Hersteller werden auch Schalenmodelle sowie eigene Produktionsmethoden- und Anlagen entwickelt. Zudem will sich das Unternehmen auch auf den Geschäftsbereich Touch konzentrieren. Die Produktion soll mehr und mehr nach Asien verlagert werden. So beliefert Balda heute schon den iPhone-Hersteller Apple mit entsprechenden Touch-Displays. Fünf weitere Fertigungswerke werden in Malaysia, Brasilien, Deutschland und Ungarn unterhalten.

Während die größte Sparte Infocom weiterhin den größten Umsatzbeitrag liefert, wurde das Geschäft in den letzten Jahren umgebaut und durch die Sparten Health Care, Cosmetics, Electronic Devices und Household ergänzt. Auch Rahmen für Autoradios und veredelte Türgriffe wurden zuletzt noch hergestellt. Zu den Kunden gehören hier beispielsweise Audi, Daimler Chrysler, Saab, Volkswagen, Becker, Blaupunkt, Bosch und Philips.

Die einst wichtige Sparte Medical soll indes im Zuge der Restrukturierung verkauft werden. Hier besteht eine Konzentration auf das Branchensegment Diagnostik und den Pharma- und Kosmetikteilbereich (Inhalationsgeräte). Zielgruppen dieser Produkte sind Diabetes- und Asthmapatienten.

Zahlen

Im dritten Quartal 2008 konnte eine Umsatzsteigerung auf 103,9 Mio. Euro erzielt werden. Nach einem Umsatz von 66,4 Mio. Euro im dritten Quartal 2007 ein deutliches Plus. Balda erzielte damit - zumindest umsatztechnisch - das beste Quartal in 2008, welches den Umsatz des ersten Halbjahres 2008 verdoppelte. Das EBIT hingegen, belief sich im dritten Quartal 2008 auf minus 0,6 Mio. Euro nach plus 2,6 Mio. Euro vor einem Jahr.

Der Gesamtumsatz summierte sich in den ersten neun Monaten 2008 auf 207,1 Mio. Euro. Nach 153 Mio. Euro vor einem Jahr entspricht dies einem Umsatzplus von 35,4 Prozent. Den Bärenanteil steuerte auch in 2008 die Region Asien bei, welche einen Umsatz von 196,1 Mio. Euro erwirtschaftete. Verglichen mit dem Vorjahr entspricht dies einem Plus von 37,2 Prozent. Geschrumpft ist das Umsatzvolumen in der Region Amerika. Es reduzierte sich von 10,8 Mio. Euro in den ersten neun Monaten 2007 auf nun 10,1 Mio. Euro. Die Region Indien, aus der sich Balda möglicherweise bald zurückziehen wird, erwirtschaftete erstmals nennenswerte Umsätze, welche sich im Betrachtungszeitraum auf 1,6 Mio. Euro summierten.

Meldung gespeichert unter: Balda, Hintergrundberichte, Telekommunikation, Hardware

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