Nortel Networks kapituliert

Donnerstag, 18. September 2008 um 12:52
Nortel Networks

(IT-Times) Während sich in der Bankenbranche in den letzten Tagen dramatische Szenen abspielten, bahnt sich im Fahrwasser der US-Kredit- und Konjunkturkrise eine weitere Tragödie an. Der kanadische Netzwerkausrüster Nortel Networks (NYSE: NT, WKN: A0LENQ) könnte bald seine Eigenständigkeit verlieren, glaubt man Marktbeobachtern.

Wie die Kanadier am Vortag mitteilten, will man aus dem Geschäft mit Ethernet Netzwerken (Metro Ethernet Networks (MEN)), in der auch das Geschäft mit optischer Netzwerkausrüstung zusammengefasst ist, aussteigen und die entsprechende Einheit verkaufen. Hintergrund ist der massive Wettbewerb in diesem Marktsegment. Hier tummeln sich neben Nortel Anbieter wie Alcatel-Lucent, Ciena, Ericsson, Nokia Siemens Networks, Cisco Systems und nicht zuletzt chinesische Netzausrüster wie Huawei Technologies. Für Nortel scheint damit kaum mehr Platz, da es den Kanadier an der notwendigen kritischen Größe fehlt, wie Marktbeobachter und Analysten meinen.

Springt IBM als weißer Ritter ein?


Schon wird Nortel als potentieller Übernahmekandidat gehandelt, wobei zuletzt darüber spekuliert wurde, ob nicht IBM als weißer Ritter einspringen und den angeschlagenen Netzwerkausrüster übernehmen könnte. Das Nortel-Management will von derlei Spekulationen nichts wissen und pocht auf seine Eigenständigkeit. Vielmehr wolle man die Herausforderungen durch eine Fokussierung auf Wachstumsbereiche meistern und so die schweren Zeiten überstehen, so Nortel-Chefstratege George Riedel in einem Interview.

Ob der Markt Nortel hierfür noch die Zeit gibt, bleibt fraglich. Nachdem Nortel-Chef Mike Zafirovski Anfang August verlauten ließ, dass zunächst keine weiteren Stellenstreichungen geplant sind, dürfte die neuerliche Restrukturierung nicht ohne einen weiteren Jobabbau über die Bühne gehen. Es sei klar, dass die jetzige Marktsituation weitere Maßnahmen erfordere, stellt der Nortel-Lenker klar. Nachdem Nortel im Jahr 2000 in der Spitze mehr als 90.000 Mitarbeiter beschäftigt hat, waren zuletzt nur noch 32.550 Menschen auf der Gehaltsliste der Kanadier.

Wie viele Stellen durch die neuerliche Restrukturierung wegfallen werden, steht noch nicht fest. Zwar könnte die Strategie der „Gesundschrumpfung“ für Nortel zumindest auf dem Papier aufgehen, allerdings laufen die Kanadier damit Gefahr, langfristig in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden…

Kurzportrait

Die kanadische Nortel Networks, ansässig in Ontario, galt als Vorzeige-Unternehmen Nordamerikas. Mit dem Boom der Telekommunikationsindustrie schafften die Kanadier den Aufstieg in die erste Reihe der Technologiekonzerne. Der zweitgrößte Telekom-Ausrüster nach Lucent galt in den letzten Jahren gleichzeitig als der marktführende Ausrüster in der optischen Industrie. Bedingt durch enorme Überkapazitäten ging diese Ära in den vergangenen Jahren zu Ende, als das Unternehmen massive Stellenkürzungen in Folge hoher Verluste beschloss. Insgesamt bauten die Kanadier in den vergangenen Jahren nahezu zwei Drittel der gesamten Belegschaft ab. Heute operiert Nortel von vier Kerngeschäftsbereichen heraus: Mobility and Converged Core Networks (MCCN), Enterprise Solutions (ES), Metro Ethernet Networks (MEN) und Global Services (GS).

Nortel Networks investierte in den vergangenen Jahren jährlich 2,5 Mrd. Dollar in Forschung und Entwicklung, um sich den technischen Vorsprung in der Telekommunikationsindustrie zu sichern. 17.400 Ingeneure, Forscher und Wissenschaftler waren in 31 Ländern der Welt zuletzt damit beschäftigt, immer neue Innovationen in der Kommunikationstechnologie zu entwickeln. Nortel Networks gilt nach wie vor als Pionier im Bereich der optischen Ethernet-Lösungen. Dieser Geschäftsbereich steht jedoch zum Verkauf.

Bereits im Jahre 1996 stellte Nortel Networks den ersten optischen Backbone vor, welcher ganze Kontinente miteinander verbinden sollte. Im Jahre 2001 folgte die Einführung erster optischer Switches, welche die Netzwerk- und Betriebskosten nochmals radikal senken sollte. Diesen Geschäftsbereich gab das Unternehmen aufgrund der anhaltend roten Zahlen inzwischen aber wieder auf. Zuletzt wurden etwa 70 Prozent des gesamten Internet-Datentransfers über Nortel-Netzwerke transportiert.

Anfang 2006 verstärkte sich Nortel im Bereiche Netzwerke und übernahm den Router-Spezialisten Tasman Networks. Gleichzeitig verkaufte Nortel nahezu seine gesamten Fertigungsoperationen an den Auftragshersteller Flextronics Telecom Systems. Ende 2006 trennte sich Nortel ferner von seinem UMTS-Zugangsgeschäft und veräußerte dieses an Alcatel-Lucent. Im Herbst 2008 verstärkte sich Nortel im Softwarebereich und übernahm den Spezialisten Pingtel.

Zahlen

Für das vergangene zweite Quartal 2008 meldet Nortel einen leichten Umsatzanstieg um zwei Prozent auf 2,62 Mrd. US-Dollar, nach Einnahmen von 2,56 Mrd. Dollar im Jahr vorher. Die Division Carrier Networks musste einen Umsatzrückgang von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr melden, während die Erlöse im Bereich Global Services um neun Prozent zulegten.

Dabei musste Nortel zunächst einen Verlust von 113 Mio. Dollar oder 23 US-Cent je Aktie hinnehmen, nachdem im Vorjahr ein Minus von 37 Mio. Dollar oder sieben US-Cent je Aktie entstand. In den jüngsten Zahlen sind unter anderem Einmalbelastungen in Höhe von 67 Mio. Dollar für Restrukturierungsaufwenden, sowie ein Ertrag von 34 Mio. Dollar durch Fremdwährungseinflüsse enthalten. Mit einem Nettoverlust von elf US-Cent je Aktie blieb Nortel dann auch hinter den Prognosen der Analysten zurück, die zuvor nur mit einem Minus von nur vier US-Cent je Aktie gerechnet hatten.

Markt und Wettbewerb

Meldung gespeichert unter: Nortel Networks, Hintergrundberichte, Telekommunikation, Hardware

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